Individualität und das physikalische Paradigma

Dieser Eintrag bezieht sich auf den Schlüsselartikel Dynamische Existenz in meinem Buch Bewusstsein und Realität.

Das physikalische Paradigma enthält ernste Verzerrungen beziehungsweise Inkonsistenzen:
  1. Das Hirn wird als der ultimative Wahrnehmende angesehen. Aber wer nimmt das Hirn wahr? Wiederum das Hirn? Das ist ein Zirkel, bei dem mein Konzept der Umschreibung ins Spiel kommt.
  2. Realität wird alles in allem als physisch betrachtet, und mit „physisch“ ist unser Paradigma gemeint. Daraus leitet sich eine begrenzte Sichtweise von Information ab. An dieser Stelle bietet mein Konzept der Infinitesimalstruktur eine tiefere Sicht an, aus der sich „Information“ ableitet.
  3. „Physisch“ bedeutet auch „objektiv“, und Objektivität wird als „nicht Teil des Beobachters“ aufgefasst. (Der Begriff „Beobachter“ beinhaltet schon dieses Missverständnis.)
Infinitesimalstruktur besagt, dass es keine Gegenstände an sich gibt. Gegenstände kondensieren aus universeller Veränderung durch Umschreibung. Diese Veränderung ist ein Wechsel zwischen Individuen, und diese Individuen sind ebenfalls Kondensationen dieser Veränderung. So existieren weder feste Objekte noch objektive Individuen. Es gibt nur Veränderung oder Wechsel als solchen (Struktur des Wechsels).

Die Quantenphysik beschreibt eine andere Form des Wechsels als die klassische Physik. Es scheint eine universelle Einheit zu geben, ein elementares Quantum. Ein solches Quantum wahrzunehmen (oder zu denken), bedarf jedoch einer Umschreibung desselben, der Kondensation einer Bewegung. Wieder gibt es kein Quantum an sich, obwohl wir es als solches behandeln – und unseren Fokus darauf begrenzen.

Wie kann es dann so stabil umschrieben werden? Das ist die Frage, die wir stellen müssen, ohne sie auf ein Objekt an sich zu versimpeln (außer zum praktischen Gebrauch).

In diesem Konzept gibt es keinen besonderen Beobachter, es gibt nur individuelle Perspektiven (=Individuen). Jede Perspektive ist letztlich unbegrenzt (und so auch die Individuen), aber asymptotisch begrenzt durch Selbstbezug zum Zweck einer beherrschbaren Welt und der Bildung von Strukturen überhaupt. (Eine kontinuierliche Fülle reflektiert auf eine begrenzte Struktur um sich selbst zu bestimmen.)

Die Welt infinitesimalstrukturiert zu sehen heißt, über elementare Quanten und Quanteninformation hinauszudenken, denn „Information“ ist bereits eine Kondensation, eine ständige Abstimmung wechselnder Individuen (individueller Perspektiven). Es wird keine Information übertragen: Es findet eine Abstimmung statt – indem eine Veränderung kondensiert, die Lage verändert und individuell dekondensiert wird. Der ganze Prozess ist natürlich vorkondensiert durch das Entwickeln einer „gemeinsamen“ Sprache, das Einrichten einer „gemeinsamen“ Infrastruktur usw., wie auch durch unbekannte Prozesse.

Der Wechsel ist unbegrenzt, denn logischerweise kann es keine Grenze geben ohne die grundsätzliche Möglichkeit, sie zu überschreiten. Ich weiß, dass Logik von Menschen gedacht wird, doch andererseits wird Denken als ein passendes Mittel betrachtet, sich auf die größere Welt zu beziehen. Es muss so sein, andernfalls würden wir nicht in ihr (selbst-) existieren. Obwohl unser Denken inkonsistent sein mag, kann es auch im größeren Maßstab nicht bedeutungslos sein. Obwohl der „ultimative“ Beobachter nicht existiert, individuelle Standpunkte existieren doch; also auch deren Abstimmung.

Infinitesimalität und Unendlichkeit sind Folgen der Grenzenlosigkeit mit Bezug zur tatsächlichen Bedeutung des individuellen Denkens. Sie können durchaus eine Tarnung für nicht wahrgenommene Strukturen sein, aber sie weisen immer über die wahrgenommenen hinaus und bleiben stets Größen mit denen zu rechnen ist.

Bewusstsein als I-Struktur. Das Spiel der Unendlichkeiten


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