Seths Philosophie zusammengefasst

von Philip Stephens
 

Die Philosophie, die Seth in seinen Büchern beschreibt, kann man mit dem folgenden Satz zusammenfassen: "Du erschaffst deine eigene Realität."

Was heißt das? Einfach ausgedrückt, besagt es, dass alles, was du wahrnimmst und erlebst, von dir, dem Beobachter, hervorgebracht wird. Es gibt kein Universum "da draußen", außerhalb deiner bewussten Wahrnehmung; statt dessen erschafft das Bewusstsein selbst die physische Welt, so wie du sie kennst.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass du das einzige existierende bewusste Wesen bist und dass alle anderen Wesen Produkte deiner Einbildungskraft sind. Nach Seth ist jeder von uns ein bewusstes Geschöpf mit eigener Identität, aber alle zusammen sind wir Teil eines gigantischen Bewusstseins, welches Seth liebevoll "All-das-was-ist" nennt.

Vereinfacht kannst du dir eine Hierarchie von Seelen vorstellen oder besser noch, einen Baum von Seelen, an dessen Spitze "All-das-was-ist" steht. Wesen, die sich "höher" auf dem Baum befinden, sind allerdings nicht "besser" als wir, sondern "vergeistigter".

Jeder von uns gehört als physische Seele einer Überseele an, wobei jede Überseele mehr als eine physische Seele umfasst. Eine Überseele ist sich der physischen Seelen, die Teil von ihr sind, nicht nur gewahr - sie kann sich als eine dieser Seelen erleben oder auch sie selbst sein. Anders ausgedrückt: Jede Seele ist mehr als die Summe ihrer Teile.

Wir können lernen, mit unserer Überseele zu kommunizieren und sie eventuell werden. Stelle sie dir als eine Erweiterung des Bewusstseins vor, die deine Mitseelen einschließt (jene physischen Seelen, die auch Teil deiner Überseele sind), so dass du die Einsicht und die Perspektive gewinnst, welche deine Überseele zur Zeit besitzt.

All dies mag sich etwas esoterisch und nicht sehr praktisch anhören. In der Tat ist es nicht so, als bestünde der einzige Zweck unseres Lebens darin, über unsere Überseele zu meditieren, in der Hoffnung, dass wir erleuchtet werden und in einen neuen Zustand des Seins eintreten. Das Seth-Material befasst sich vielmehr mit der praktischen Anwendung der Idee, dass wir unsere physische Realität selbst hervorbringen.

Viele der Mechanismen zur Schaffung der physischen Realität werden von unserer Überseele gehandhabt. Unsere Aufgabe besteht darin, die physische Realität wahrzunehmen und in ihr zu leben. Seth sagt jedoch, wir könnten die physische Realität verändern, nicht nur indem wir mit ihr wechselwirken, sondern auch durch unsere Überzeugungen!

Dies bedarf einer näheren Erklärung. Was Seth meint, ist dass unsere Überseele die physische Welt hervorbringt, in Übereinstimmung mit dem, was wir von dieser Welt glauben. Zum Beispiel existieren alle physikalischen Gesetze, weil wir an sie glauben; sie sind tief verwurzelte Annahmen darüber, wie die Welt funktioniert. Wenn jeder plötzlich beschließen würde, dass die Sonne grün sein sollte, dann könnte sie theoretisch auch so werden. Aber in der Praxis kann dies nicht passieren, weil unsere Überseelen die physikalischen Gesetze als Plan für unser Universum gewählt haben, wir sogar noch vor unserer Geburt diese Gesetze akzeptieren und, solange wir leben, nicht ernsthaft beabsichtigen, sie in Frage zu stellen. Versuche dich davon zu überzeugen, dass die Sonne grün ist, und du wirst sehen, was ich meine.

Alle unsere subjektiven Überzeugungen sind freilich auch auf irgendeine Weise in unserer Welt verwirklicht. Wenn jemand glaubt, es sei gefährlich, mitten in der Nacht durch einen Park zu laufen, weil man vergewaltigt werden könnte, dann ist es wahrscheinlich, dass dieser jemand wirklich vergewaltigt wird, wenn er/sie einen nächtlichen Spaziergang unternimmt. Was wir von der Welt glauben, wird Realität.

Das ist eine sehr radikale Äußerung, und einige von euch werden meinen, es gäbe keinen Beweis für ihre Richtigkeit. Und dennoch, wenn dir das nächste Mal etwas zustößt, über das du meinst, keine Macht zu haben, versuche zu prüfen, ob es nicht eine Wechselbeziehung gibt, zwischen dem Ereignis und dem, was du von ihm glaubst. Du könntest überrascht sein festzustellen, dass eine solche wirklich existiert.

Hier haben wir den springenden Punkt im Seth-Material. Seth meint, es sei möglich, gewünschte Ereignisse und Situationen herbeizuführen, indem wir einfach glauben, dass sie eintreten können. Der Haken ist, dass wirklich an etwas zu glauben nicht gleichbedeutend ist mit glauben zu wollen. Es ist nicht dasselbe, wie einen religiösen Glauben zu haben oder bestimmte Rituale zu vollziehen. Es ist vielmehr der felsenfeste Glaube daran, dass dies oder jenes geschehen wird.

Und um an etwas glauben zu können, brauchen wir oft vorher einen Beweis. Können wir so einen Beweis finden? Ich glaube ja. Am einfachsten ist es, mit etwas zu beginnen, wovon du schon überzeugt bist. Suche dir ein Talent aus, über das du verfügst, und beachte, wie stark du an deine Fähigkeiten auf diesem Gebiet glaubst. Du könntest denken, dass zuerst das Talent da war und der Glaube daran später kam. Aber überlege nochmals: Ist es nicht eher so, dass du dieses Talent entwickeln wolltest, noch bevor du damit begonnen hattest? Und dass es dir leicht fiel, das Talent zu entwickeln, nachdem du beschlossen hattest, es zu tun? Das Talent kam für dich ganz natürlich. Der Grund, warum es dir natürlich vorkam, ist einfach: Du glaubtest an deine Fähigkeit, dieses Talent zu entwickeln, du glaubtest, dass du es schaffen würdest, und du hast es dann auch gepackt.

Seth zufolge funktioniert es so bei allen Dingen. Wir beginnen mit dem Wunsch, etwas zu vollbringen, wir bauen den Glauben an unsere Fähigkeit auf, es zu schaffen, und der Rest kommt von selbst. Und umgekehrt, falls wir nicht wirklich an unser Vermögen glauben, ein gestecktes Ziel zu erreichen, werden wir es auch nicht. Es ist der Glaube oder der Mangel an Glaube, der über das Ergebnis unserer Bemühungen entscheidet. Was zählt, ist nicht wie hart wir für ein Ziel arbeiten, sondern wie stark wir an den Erfolg glauben.

Du glaubst mir nicht? Versuche es, und du wirst sehen!


Manche Seth-Leser und Vertreter von Erschaffungslehren schränken ihre persönliche Realität ein:

1. Sie meinen die eigene Realität sei die für sie einzig wichtige und vergessen die Einheit mit allen anderen Individuen.

2. Sie glauben beliebige Realitäten erschaffen zu können ohne Rücksicht auf den Ursprung ihrer Impulse.

3. Sie haben panische Angst vor "negativen" Formulierungen, denn sie glauben an deren suggestive Wirkung.

4. Um ihre Realität zu verändern, verleugnen sie sie, statt sie zu ihrem Ausgangspunkt zu machen.

5. Sie sind immun gegen Kritik, denn sie halten sie für eine Projektion des Kritikers.

Keine dieser Einstellungen folgt aus den Seth-Büchern, weder offen noch implizit, und sie lassen sich durch eine gründliche Auseinandersetzung mit der Theorie des Materials vermeiden.

"Zuerst muss ein abstraktes Wissen und ein Konzept vorhanden sein, bevor es irgendein angewandtes Wissen unter realen Bedingungen geben kann." (Seth: Die Frühen Sitzungen, Band 2, S. 29)

Claus Janew